Das Opfer der Kinder der Sewol

Wahrheit, die ans Licht kommt

Wahrheit, die ans Licht kommt.

Am 16. April 2014 stach die Fähre Sewol von Incheon (bei Seoul, Korea) in See Richtung Jeju-do. Wenige Stunden vor der Ankunft auf der Insel Jeju-do, welche als Ferien- und Hochzeitsinsel nicht nur bei Koreanern bekannt ist, kenterte die Fähre.

Von den fast 500 Passagieren und Besatzungsmitgliedern kamen 300 ums Leben. Die meisten Toten waren Kinder einer Schule, die nach Jeju-do eine Klassenfahrt unternehmen wollten. Kompetenzgerangel der Behörden und Sicherheitskräfte sowie eine auffällige Abwesenheit der Süd-koreanischen Präsidentin Park unmittelbar nach dem Unfall nährten Gerüchte, dass es bei dem Untergang der Sewol nicht mit rechten Dingen zugegangen sei.

Regierung und Behörden konzentrierten sich nach dem Unfall darauf, die Bevölkerung und vor allen die Eltern der Opfer zu beruhigen, anstatt eine Aufklärung des Unfalls anzugehen (solches Verhalten kommt uns bekannt vor, nicht?). Der Besitzer des Fährschiffs wählte kurze Zeit nach dem Schiffsdrama den Freitod, so die offiziellen Berichte.

Bald sammelten sich die Eltern der toten Schüler und weitere interessierte Personen und demonstrierten auf Mahnwachen Tag für Tag, jahrelang am Gwamhamun-Platz in Seoul. Jeder, der in den Jahren 2014 bis 2017 Seoul besucht hat, ist an diesen Leuten vorbeigekommen.

Mangelnde Aufklärung und Aufarbeitung des Schiffsunglücks sowie die Demonstrationen und Mahnwachen führten dazu, dass sich immer grössere Teile der Bevölkerung gegen die Präsidentin wandten. Zu Beginn 2017 zeichnete sich ab, dass die Regierung Park das Jahr nicht überleben würde.

Inzwischen waren unfassbare Sachverhalte über unverantwortliches und gar kriminelles Regierungsverhalten ans Licht gelangt, welche im Sommer 2017 zur Verhaftung der Präsidentin und ihrer persönlichen Beraterin führten. Nach dem Regierungssturz kamen nahezu täglich neue Skandale an die Öffentlichkeit, die weltweit ihresgleichen suchen.

i) Präsidentin Park war die Marionette ihrer durchtriebenen Beraterin. Die vom höchsten Gericht abgesetzte Präsidentin (selber eine menschlich tragische Figur; ihre Mutter und ihr Vater, der frühere Präsident Park, starben bei Mordanschlägen durch Geheimdienstoffiziere) wurde zu jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt.

ii) Die Beraterin hatte ihre Stellung ausgenutzt, um sich persönlich umfangreich zu bereichern (ein Teil des Geldes wurde in Deutschland investiert). Sie wurde in Handschellen abgeführt und ebenfalls zu langen Haftstrafen verurteilt.

iii) Der CEO des Industrieriesen Samsung wurde in Handschellen abgeführt und zu einer langen Haftstrafe wegen Bestechung und Veruntreuung verurteilt.

iv) Der Chef des Geheimdienstes hatte Mittel veruntreut, um ein Heer an Online-Aktivisten einzustellen, die mittels psychologischer Kriegsführung in sozialen Medien den Wahlkampf beeinflussten und damit der Präsidentin zum Wahlsieg verholfen.

v) Ein früherer Präsident muss sich vor Gericht dafür verantworten, heimlich ein Unternehmen der Automobilindustrie durch einem Strohmann geführt zu haben.

vi) Heute erfahre ich, dass die frühere Regierung mit Japan ein heimliches Zusatzabkommen unterzeichnet hat, in dem gegen eine Geldzahlung an eine Stiftung vereinbart wurde, dass Süd-Korea in der Sache der Trostfrauen (junge koreanische Frauen und Mädchen, die von japanischen Besatzungstruppen im 2. Weltkrieg verschleppt und dann als Kasernenhuren missbraucht wurden) keine Öffentlichkeitsarbeit mehr leisten würde. Dazu gehöre auch die Entfernung der Trostfrauen-Puppen aus dem öffentlichen Raum (siehe Bild).

Comfort Woman doll in front of the Embassy of Japan, Seoul, Korea.

vii) Die Sewol kenterte, weil sie überladen war. Das Fährschiff beförderte heimlich Fracht, und zwar Baumaterial auf die Insel Jeju. Das Baumaterial war für eine Militärbasis bestimmt, deren Bau jedoch verboten worden war. Die Sewol – mit ihrem verbotenen Nebenauftrag – stand unter der Aufsicht des Geheimdienstes …

Die Liste der Skandale ist lang und scheint nicht abzureissen. Endlich arbeiten Polizei und Justiz an der Aufklärung von Korruption und Hochverrat, mit grossem Erfolg. Die Presse und unabhängige Journalisten haben sehr gute Arbeit geleistet. Das Jahr 2017 und auch 2018 werden in die Geschichte eingehen als Rollenmodell für die Katharsis eines Landes, dass unter der Führung eines neuen Präsident zeigt, wie Korruption und Verrat praktisch ablaufen.

Das, was man sonst leicht als verrückte Verschwörungstheorien abtun könnte, wird uns hier mundfertig auf dem Tisch serviert. Man wird hierüber Lehrbücher schreiben können, wie genau die feine Gesellschaft gegen den Bürger kolludiert. Es wird sich zeigen, ob sich aus dem Fall Süd-Korea “Blaupausen” reproduzieren lassen, die auch auf andere Länder passen. Ich bin gespannt.

Bevor die Sewol sank, riefen die Lehrer den Kindern noch zu, sie sollen sich ruhig verhalten und in ihre Kabinen unter Deck gehen. Die Szenen mit den toten Kindern, die die Bergungstaucher später in den verschlossenen Kabinen der Sewol vorfanden, sind herzzereissend.

Die Kinder der Sewol haben die Tricksereien des Militärs und des Geheimdienstes mit ihrem Leben bezahlt. Aber mit der Hebung der Sewol wurde auch der Unrat einer verkommenen Regierung und ihrer verkommenen Helfershelfer und Nutznießer gehoben.

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