Interview im St. Galler Tagblatt

Solarer Wasserstoff zum Fahren und Heizen

Interview im St. Galler Tagblatt

Hier das Interview, wie es in der der Ausgabe 12. Mai Seite 30 Focus im St. Galler Tagblatt abgedruckt ist: Solar Wasserstoff zum Fahren und Heizen

 

Bruno Knellwolf:Sehr geehrter Herr Braun, Sie werden am Mittwoch für die Naturwissenschaftliche Gesellschaft referieren. Ist es möglich, dass Sie mir heute vier Fragen beantworten könnten?

Artur Braun:Vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Arbeit. Ich sage Ihnen gerne meine persönliche Meinung zu dem Themenkomplex.

Bruno Knellwolf:Die künstliche Photosynthese ist der natürlichen Photosynthese abgeschaut. Was ist daran der schwierigste Teil der Nachahmung?

Artur Braun:Die Photosynthese, wie wir sie aus der Natur bei den Pflanzen kennen,  ist im Wesentlichen ein grosser Komplex von bio-molekularen Prozessen. Wollen wir dies nachahmen, um alternative Energiequellen zu gewinnen, müssen wir uns diejenigen Prozesse herausgreifen, die erforderlich sind und diejenigen ausser Acht lassen, die wir nicht brauchen. Schaut man zu einfach auf die Dinge, übersieht man vielleicht subtile Zusammenhänge in der Architektur der Pflanzen, denen man zunächst keine wichtige Funktion zuordnet. So verhält es sich zum Beispiel beim oxygen evolving complex im Photosystem II. Er enthält im Prinzip nur 2 Mangan-Atome und 2 Sauerstoffatome, oder, wenn man die Blickdistanz etwas vergrössert, auch noch ein Calcium-Atom und dann 3 Mangan- und 4 Sauerstoffatome. Die molekulare Struktur dieses Komplexes, zu dem tatsächlich noch weit mehr Atome gehören als die gerade genannten, vor allem Kohlenstoff und Wasserstoff, ist eigentlich gut bekannt. Baut man nun einen Kristall aus den vermeintlich 3 wichtigsten Elementen Mangan, Sauerstoff und Calcium mit der gleichen Struktur, also einen Kristall, und kein Molekül, findet man, dass das nicht so funktioniert, wie erwartet. Vielleicht hängt das mit der vermeintlich unbedeutenden Infrastruktur der Kohlenstoff- und Wasserstoffatome zusammen, in die der oxygen evolving complex eingebunden ist. Schwierige Teile der Nachahmung sehe ich im mangelnden Verständnis der Zusammenhänge und vielleicht auch in unserem Hang, organische Komponenten wie etwa durch anorganische Komponenten, also Kristalle, zu ersetzen.

Bruno Knellwolf: “Warum ist der Energieaufwand so hoch, für die Erzeugung von Wasserstoff aus Solarenergie?

Artur Braun:Der Energieaufwand ist eigentlich ja nicht hoch. Für uns Technologen gelten ja keine anderen Naturgesetze als auch für die Natur selber. Und Energie sollte ja eigentlich ausreichend da sein – von der Sonne. Allerdings ist Wasserstoff ein hochenergetischer Brenn- und Kraftstoff. Was man in den Herstellungsprozess hineinsteckt, kriegt man insoweit ja auch wieder zurück, wenn man die energetischen Verluste ausser Acht lässt, welche thermodynamisch aber immer auftreten. Auch das ist ein ehernes Gesetz. Immer wieder stellt sich die Frage nach der Effizienz. Diese Frage ist berechtigt, hat ihren Ursprung aber auch in der menschlichen Ungeduld und im Streben nach Maximierung von Zugewinn. Der Frage nach Effizienz sollte man auch die Frage der Nachhaltigkeit an die Seite stellen. Der meiste technisch nötige Wasserstoff wird heutzutage immer noch aus der Wasserdampfreformierung gewonnen, wozu neben Wasser auch fossile Brennstoffe, hauptsächlich Kohle verwendet werden. Das muss man sich vergegenwärtigen: Wir graben noch immer nach Kohle, bohren nach Öl und nach Erdgas. Selbst das Köhlern von Holz wäre für diesen Zweck nachhaltiger, wenn man auch wieder aufforstet. Aber mit Solarzellen kriegt man Strom von der Sonne, mit dem man Wasser elektrolysieren kann. An der Empa in Dübendorf wird es eine Testanlage geben, eine Tankstelle, an der Wasserstoffautos ihren Treibstoff aus überschüssigem Strom, darunter auch Solarstrom, kriegen.

Bruno Knellwolf: “Wie könnte diese Energiebilanz auf die gute Seite kommen und Wasserstoffnutzung alltäglich werden?

Artur Braun:Wie bereits erwähnt: Wasserstoff ein hochenergetischer Brenn- und Kraftstoff, aber auch ein wichtiger Rohstoff in Industrie. Als Brennstoff und Kraftstoff könnten wir schon zufrieden sein, wenn man mit Sonnenenergie Methanol herstellen könnte. Das ist flüssig und lässt sich leichter speichern und transportieren als Wasserstoff. Hat man erst einmal Wasserstoff aus Sonnenkraft gewonnen, lässt er sich grosstechnisch natürlich in Methanol und vieles andere umwandeln. In Arbeit sind Solarreaktoren, in denen die thermodynamisch aufwendige Wasserspaltung gleich kombiniert wird mit der chemischen Umwandlung des Treibhausgases Kohlendioxid, um Methanol zu erhalten. Eine integrierte Lösung. Firmen wie Toyota und Panasonic haben vor einigen Jahren bereits mit ersten erfolgreichen Versuchen auf sich aufmerksam gemacht. Wie bei jeder Technologie stellen sich immer wieder Materialfragen. Die Elektrokatalyse ist zum Beispiel ein wichtiges Schlagwort in diesem Zusammenhang, aber auch die chemische Kompatibilität unterschiedlicher Materialkomponenten in solchen Reaktoren. Ehrlich gesagt, es gibt hierzu noch gar keine Technologie. Aber es handelt sich auch nicht um völliges Neuland. Viele der Materialfragen sind bereits an anderer Stelle in anderen Zusammenhängen gelöst. Jetzt ist die Zeit reif, Systeme zu konzipieren, zu bauen und Erfahrungen zu sammeln.”

Bruno Knellwolf: “Wo sehen Sie konkret die besten Möglichkeiten für die Wasserstoffnutzung?

Artur Braun:Ich sehe den Wasserstoff auch als Zwischenprodukt. Und vielleicht ist Wasserstofftechnologie eine Überganstechnologie. Wenn man gleich solares Methanol produzieren könnte, würde das für die Mobilität mit dem Auto ja reichen. Damit wäre auch die Frage nach der Wasserstoffspeicherung gelöst. So, wie man heute dezentral seinen solaren Strom vom Dach in ein regionales Netz einspeisen kann, so könnte man in einem urbanen Netz zum Beispiel solaren Wasserstoff zur Verfügung stellen. Für’s Heizen und für die Mobilität oder für industrielle Nutzung. Dabei sind natürlich auch Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen. Man muss sich im Klaren sein, dass hier viele Vergleiche angestellt werden können, und diese sollten fair sein. Zurzeit tanken wir ja noch 40 Liter Benzin in unser Auto. So etwas mit hoher Geschwindigkeit durch besiedeltes Gebiet zu fahren – das würde angesichts heutiger Sicherheitsstandards wahrscheinlich gar nicht mehr genehmigt werden. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass da, wo viel Energie hergestellt, gespeichert und umgewandelt wird, auch ein entsprechendes Gefahrenpotential besteht.”

***Ende des Interviews***

Hier das Interview, wie es in der der Ausgabe 12. Mai Seite 30 Focus im St. Galler Tagblatt abgedruckt ist: Solar Wasserstoff zum Fahren und Heizen

 

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