Technischer Fortschritt und die soziale Frage

Bei aller Begeisterung für Technik und Wissenschaft. Ich habe als Naturwissenschaftler ja das Privileg, ganz vorne mit dabei zu sein, wenn auch nicht bei jedem Thema.

Kürzlich sah ich auf dem Flughafen Zürich ein Exponat, so etwas wie ein autonom fahrendes Fahrzeug. Hier unten ist eines der Bilder, die ich mit meinem Smartphone gemacht habe. Es gibt eine Passagierkabine, aber nichts, was wie ein Fahrersitz aussieht. Für einen Autofahrer in meinem Alter eher ein lächerlich aussehendes Mobil, das mich an Klimbim aus den 70er Jahren erinnert.

Autonomes Fahrzeug ausgestellt am Flughafen Zürich.
Abbildung 1: Autonomes Fahrzeug ausgestellt am Flughafen Zürich.

Ich war auf meinem Weg nach Südafrika. Nach meinen ersten Pflichtübungen in der Hauptstadt Pretoria ging es weiter in den Norden, wo ich wie auch früher die überwiegend schwarze Bevölkerung und ihre Lebensweise studieren konnte, soweit das auf der Fahrerseite des Leihwagens entlang der Autobahn und Nationalstrasse möglich ist.

Üblich bewegen sich diese Menschen zu Fuß entlang der Autobahn. Wenn ihr Weg sehr weit ist, halten sie an der Straße und heben den Daumen am ausgstreckten Arm zum “Anhalter”.

Die Autobahn hat keine Ausfahrt an den Townships der Schwarzen. Auch die Nationalstraße hat keine Abzweigung dorthin. Wer es geschafft hat, von seiner Arbeit oder vom Einkaufen per Anhalter oder mit dem Kleinbus zurück nach Hause gebracht worden zu sein, steigt an der Autobahn aus, überquert sie vielleicht noch zu Fuß, um zur richtigen seite zu kommen, und dann geht es zu Fuß mitunter noch einen oder mehrere Kilometer bis ins Dorf.

Abbildung 2: Ein Township an der Autobahn N3 in der Provinz KwaZulu Natal in Südafrika. Beachte den großzügigen Zwischenraum von Haus zu Haus bzw. von Hütte zu Hütte.

Das Bild in Abbildung 2 oben zeigt ein Township an der Autobahn N3 in der Provinz KwaZulu Natal, welche von der Küstenstadt Durban in das Industriezentrum Johannesburg führt. Hier geht keine Autobahnabfahrt ins Township. Sogar die Strommasten scheinen über das Township hinwegzuführen. Der Nachhauseweg ist nur zu Fuß zu begehen und führt durchs Gelände.

Auf einem der drei Symposien, die ich in Südafrika besucht hatte, stellte ein junger Wissenschaftler seine Ansichten zu den brennenden Themen unserer Zeit vor: Robotics, Industrie 4.0, Advanced Manufacturing, Big Data, und was sonst noch. Er machte den Dieselmotor für die Umweltverschmutzung verantwortlich und zeigte Bildmaterial, auf dem ich eher die Verbrennung von Biomasse als Umweltverschmutzer ausmachen konnte. Schließlich erklärte er, wir die Elektromobilität im allgemeinen und sein Tesla im besonderen für eine saubere Umwelt und für ein gesundes Klima wirken würden.

Nun. Bei der Landung in Johannesburg war mir schon aufgefallen, daß über der Stadt eine rötlich-gelbe Luftschicht lag. Draußen angekommen, roch ich, daß verbranntes Holz die Ursache für die Dunstwolke über der Stadt sein mußte. Auf meiner Fahrt von Johannesburg nach Pretoria sah ich, daß man in Südafrika nach dem Winter (Juli und August sind auf der südlichen Halbkugel wie bei uns in Europa der Februar) offenbar noch “flämmte”. Das ist das mutwillige Abbrennen des trockenen Grases nach dem Winter. Das habe ich selbst früher in den 70er Jahren noch gemacht. Heute ist das verboten.

Ist in Südafrika die Zeit etwa stehengeblieben? Für die schwarze Bevölkerung muß sie stehengeblieben sein. Von Pretoria bis Durban gab es schwarze Flächen am Straßenrand. Selbst im Nationalpark sah man weite schwarze Flächen. Vermutlich wurde hier von Arbeitern geflämmt, damit sich keine wilden Tieren im ansonsten hohen Gras verstecken können. Zwei Dutzend Arbeiter – alles Schwarze – waren mit der Instandhaltung bestimmter Anlagen im Gelände beschäftigt. Eine schwarze Frau sicherte das Gelände mit einem Gewehr. Der Beitrag zum global warming durch Flämmen fällt hier nicht ins Gewicht, bedenkt man, dass durch einen Löwenangriff aus dem hohen Gras Arbeiter zu Tode kommen könnten.

Nun denn. Worauf ich hinaus will. Mir wurde auf meiner Reise nach Südafrika der riesige Kontrast vor Augen geführt – wieder einmal, den unsere moderne westliche Gesellschaft vor allem in Europa und in besser verdienenden Teilen der Gesellschaft in Südafrika ist, die nicht ausschliesslich weiss sein muss, und der sehr grossen Zahl an armen und arbeitslosen Menschen in den Städten und ländlichen Gegenden.

Während wir uns um die Modernisierung der Mobilität, um moderne Fortbewegungsmittel bemühen, mögen sie Tesla oder Hyundai ix35 Fuel Cell, Toyota Mirai und Honda Clarity heissen oder autonomes Fahren bedeuten, kommt dieser Fortschritt für die meisten Menschen dieser Welt gar nicht in Frage. Wie oben schon erwähnt: bei den Townships hat weder die Straße noch der Strom eine eingebaute Abzweigung.

Weniger drastisch, aber immer öfter wahrnehmbar ist die Diskrepanz zwischen technologischem Anspruch und breiter sozialer Realität in Europa. Wer kann sich schon ein Brennstoffzellenauto leisten, das 60’000 bis 80’000 Euro kostet? Längst nicht jeder hat ein Smartphone. Und wer sein Geld in technische Konsumgüter “investiert”, dem fehlt das Geld später bei der Rente.

Abbildung 3: Szene an der Regionalstrasse R511.

Unweit des besser gestellten Townships in Abbildung 3 ist der bekannte Marikana Minenkomplex im Bushveld Igneous Gebiet. Dort lagern 70% der bekannten Reserven an Platinmetallen weltweit. Dort werden Erze der Platingruppe gefördert und aufbereitet. Die Lonmin (London Mines) Minengesellschaft machte im ersten Halbjahr 2019 einen operativen Gewinn von 70 Millionen Dollar.

Einträglich ist zum Beispiel die Saffy Shaft Mine, siehe im Hintergrund von Abbildung 4.

Abbildung 4: Förderturm der Saffy Shaft Mine der Lonmin Minengesellschaft bei Rustenburg und Marikana.Vor dem Hügel an Abraum – man bekommt ca. 1 bis 2 Gramm Platinmetall pro Tonne abgebautes Gestein – sind die Hütten der Townships, die die Bewohner um das Minegebiet herum errichtet haben.

Fortsetzung folgt …

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