Nachrichten aus der Chemie: “Keine Experimente!”

Können die Fachhochschulen den Universitäten bald den Rang ablaufen? Eventuell sogar als intellektuelle Zentren?

Das wäre eine Überraschung, denn Fachhochschulen bilden Experten aus, die sich fachspezifisch äußern, wenn sie angefragt werden.

Intellektuelle hingegen nehmen ungefragt Stellung zu gesellschaftsrelevanten Themen. Das traut man nur Universitäten zu.

Jüngst störte ein Chemieprofessor der (Fach-) Hochschule Merseburg eine Eröffnungsrede der Bundeskanzlerin nach 68er Manier lautstark und mit Transparent mit der Forderung “Keine Experimente!”.

Das gleiche Motto, mit dem Kanzler Adenauer 10 Jahre vor den Studentenrevolten die absolute Mehrheit für seine Partei eingefahren hatte.

Da die Majestätsbeleidigung in der Bundesrepublik nicht strafbewehrt ist, wurde der Professor nicht von der Polizei abgeführt, aber immerhin doch vom Saalschutz hinauseskortiert.

Damit kann die Hochschule Merseburg, die sich ansonsten auf die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen beschränkt, nun einen richtigen Dissidenten zu ihren Fakultätsmitgliedern zählen.

Es scheint aber, dass der Hochschule noch die Kragenweite für einen solchen intellektuellen Aufstieg fehlt. Sie distanzierte sich von ihrem Professor und stellte disziplinarische Vorüberlegungen an.

Als der Schreck in Merseburg nachgelassen und der Verstand wieder eingesetzt hatte, entschied man, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen.

Veröffentlicht unter

Artur Braun, “Keine Experimente!”, Korrespondenz, Nachrichten aus der Chemie (Wiley) 04/2016; 0.201 64(4):458.

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